Dienstag, 1. Mai 2018

Frühling im Spreewald: 50 Shades of Green

Grün, grüner, Spreewald! (Foto © Maike Grunwald)
(Spreewald, Urlaub, Maike Grunwald) Farngrün, Lichtgrün, Birkenblattgrün, Wassergrün, Erlengrün, Moosgrün, Grasgrün: Hier im Spreewald ist Grün mehr als nur eine Farbe. Nur eine Stunde südlich von Berlin verlockt das grüne Wasser-Labyrinth mit seinen "50 Shades of Green" zum Wandern, Radeln und Kanufahren. Ranger führen durch das Naturparadies mit 18.000 Tier- und Pflanzenarten. Und am Abend heißt es: Wellness mit Leinöl-Massage, Spitzenküche mit Spreewald-Gurken und Einschlafen mit Amsel-Gesang. Die besten Tipps und Adressen!



Im Kanu durch die Wasserwelt


Still gleitet das Kanu durch das glatte Fließ, einem der unzähligen schmalen Flussläufe, die den Spreewald wie ein Labyrinth durchziehen. Ein Konzert von Vogelstimmen schwebt über der Waldesstille. Sonst ist nichts zu hören, nur das Plätschern des Paddels – wie vor Hunderten von Jahren. Aufatmen. Allein in der Natur. Nicht zu glauben, dass dieses Waldwasserparadies nur eine Stunde von Berlin entfernt ist. 
Maikes Paddelbootnase (Foto © Maike Grunwald)
 

Wie der Teufel versehentlich den Spreewald schuf


Der Sage nach – und davon gibt es viele in der Lausitz – ist der Spreewald ein fehlgeschlagenes Projekt des Teufels. Als der Leibhaftige vor langer Zeit mit einem Ochsengespann ein Flussbett für die Spree pflügen wollte, wurden die Rinder bockig und blieben stehen. Der Teufel brüllte sie an: "Faules Vieh! Dass euch doch meine Großmutter hole!" Diese Aussicht erschreckte die Tiere so sehr, dass sie türmten – mitsamt dem Pflug. Auf ihrer Flucht kreuz und quer durch den ganzen Wald rissen sie damit ein Gewirr von 350 Flussläufen und Fließen von rund 1.500 km Länge auf. 

Typische Spreewaldkähne am Fließ (Foto © Maike Grunwald)

  Wald der Wenden


Tatsächlich ist die einzigartige Moor- und Auenlandschaft des Spreewaldes (niedersorbisch: Błota, „die Sümpfe“) zum Teil durch Pflüge geprägt. Inmitten der natürlichen Flussläufe siedelten sich Sorben an, hier auch Wenden genannt, ein westslawisches Volk. Die Bauern legten zum Entwässern der Mini-Felder zusätzlich Kanäle an und nutzten die Fließe als Transportwege. 

Landidylle im "Biberhof" (Foto © Maike Grunwald)

Die Post kommt mit dem Boot


Bis heute besuchen Kinder ihre Oma mit dem Boot. Post, Müllabfuhr, Polizei und Feuerwehr sind im traditionellen flachen Holzkahn unterwegs. Die Fließe sind wie Straßen ausgeschildert, oft zweisprachig, Deutsch und Niedersorbisch. Die slawische Sprache, das eigene Brauchtum der Wenden und ihre auffälligen Trachten, die auf Dorffesten auch die Jugend stolz trägt, verstärken das Gefühl, in einer anderen Welt zu sein. 
Burger Jugend beim Maifest (Foto © Maike Grunwald)


Wasser, Wald und Wildnis


Rund 300 Kilometer Fließe sind befahrbar. Genug Platz für stille Waldeinsamkeit auf dem Wasser, obwohl der Spreewald eines der beliebtesten Urlaubsziele in Brandenburg ist. Viele Ausflügler sind zwischen dem mit der Bahn direkt erreichbaren Ort Lübbenau und dem denkmalgeschützten Dorf Lehde unterwegs. In den weitläufigen Wasserläufen rund um Burg, einer Streusiedlung mit nur 4.300 Einwohnern auf 35 Quadratkilometern, bin ich heute fast allein. 
Zu schön: Ich habe ungefähr 1.000 solcher Fotos gemacht  (Foto © Maike Grunwald)


Im Gewirr der Fließe


Manche Wasserläufe winden sich so schmal durch die Farnhaine, Erlen und skurrilen Uferwurzeln, dass sogar mein kleines Paddelboot in der kaum vorhandenen Strömung schwer zu manövrieren ist. Wie weit ist es bis zur nächsten Abzweigung? Man weiß es nicht. Vor mir taucht eine Schleuse auf – und jetzt freue ich mich, dort doch noch zwei andere Menschen zu entdecken. Denn alleine wäre ein Weiterkommen schwierig. Im Hochsommer stehen Kinder auf den belebteren Schleusen, um sie gegen ein Trinkgeld zu bedienen. Ich habe Glück: Die beiden Kajakfahrer vor mir schleusen mich durch.



Fast wie am Amazonas


Schnell habe ich die anderen Paddler im Labyrinth verloren. Im dichten Grün fühle ich mich ein wenig wie im Amazonasgebiet. Seltene Tiere hausen im Dickicht. Ungewohnte Vogelstimmen, die ich in Berlin nie höre, Biber-Fraßspuren an einem Baum: Ich sehe die Waldbewohner nicht, nur ihre Spuren. Eine Azurjungfer, eine schillernde Libelle, lässt sich backbord nieder. Das irre Lachen eines Grünspechts hallt durch das multigrüne Laub. 

Magisch: Morgenstimmung im Spreewald (Foto: © Hotel zur Bleiche)


18.000 Tier- und Pflanzenarten


Mit rund 18.000 Tier- und Pflanzenarten gehört das UNESCO-Biosphärenreservat Spreewald zu den artenreichsten Kultur- und Naturlandschaften Deutschlands. Das Landschaftsschutzgebiet umfasst 23 Naturschutzgebiete, davon 7 Kernzonen, die nur von Forschern betreten werden dürfen. Noch sind längst nicht alle hier lebenden Arten erfasst. Auf dem Weg ins Hotel segelt ein Weißstorch so dicht an mir vorbei, dass ich den Kopf einziehen muss. 
Ranger mit Spektiv und Fernglas  (Foto © Maike Grunwald)



Leinöl-Massage und Pool mit Kamin


Ich lasse die Eindrücke des Tages an mir vorüberziehen, während ich eine Massage mit Leinöl genieße. Das reichhaltige Öl ist eine Spreewald-Spezialität, die zu Kartoffeln und Quark gereicht wird. Im lässig-luxuriösen Ressort und Spa „Zur Bleiche“ gehören Anwendungen mit dem regionalen Produkt zum Wellness-Angebot. Nach dem Abendessen – das Resort ist auch wegen seiner Spitzenküche weit über Brandenburg hinaus bekannt – lege ich mich in den Innenpool mit Kamin und lausche der klassischen Musik, die unter Wasser erklingt. Später wiegt mich das Lied der Amsel in den Schlaf. 

Innenpool mit Kamin in der Spa-Landschaft im Hotel zur Bleiche (Foto: © Hotel zur Bleiche)

Schmatzende Otter und Trauerstörche


Bunte Eisvögel, beschopfte Kiebitze, schwarze Trauerstörche, schmatzende Fischotter, bauwütige Biber, See- und Fischadler: Wer diese Spreewaldbewohner zu Gesicht bekommen will, muss früh aufstehen – oder spät aufs Wasser. Der Schlepziger Mike Böttcher bietet nächtliche Fahrten im Spreewaldkahn an, bei denen die Chancen gut stehen, einen nachtaktiven Biber live zu sehen. Auch Kahnfahrer-Kollege Conrad Hagen in Burg hat Tierbeobachtungstouren im Programm: Um fünf Uhr morgens geht es los. Dann schwebt der Frühnebel noch über der Wasserlandschaft – als sei sie sonst nicht schon magisch genug. 

Ranger mit Flora - unter der Brücke wohnt ein Otter (Foto © Maike Grunwald)

Fledermausführung oder meditatives Kahnfahren im Liegen


Weitere Spreewälder veranstalten Wanderungen oder Fahrradtouren in Zusammenarbeit mit der Naturwacht: Fledermausführungen, Kräuterexkursionen, Wasserforscherevents für Kinder, meditatives Kahnfahren im Liegen – die reiche Natur will erkundet und erlebt werden. Drei Besucherzentren des Biosphärenresevats warten mit grünen Highlights auf. Wer den Spreewald auf eigene Faust per Pedes, Rad oder Kahn erkunden will, bekommt hier Wanderkarten und Tourenvorschläge. Außerdem sind die Zentren in Burg, Lübbenau und Schlepzig Ausgangspunkt für die verschiedenen Erlebnistouren mit den Rangern der Naturwacht. 

Hinter jeder Biegung wird es noch grüner (Foto © Maike Grunwald)



Auf Safari mit den Rangern 


„Sehen Sie den Kranich? Der führt bestimmt Küken mit sich. Man sieht es nur, weil er so langsam schreitet, die Kleinen sind im hohen Gras versteckt“, sagt Gabriele Matschke. Die Sorbin ist eine von drei weiblichen Rangern der Naturwacht, mit der ich heute früh unterwegs bin. Ihr Kollege Hans-Joachim Jurk reicht mir das Fernglas. Ich nehme den großen Vogel ins Visier. Ein schönes Tier ist der Bote des Glücks mit seiner roten Zeichnung auf dem schlanken Kopf, dem majestätischen Gang und der langen, schmalen Form. Bis zu 1,30 Meter hoch kann der Zugvogel werden, größer als ein Kind. 

Durchs Spektiv beobachte ich Kiebitze (Foto © Maike Grunwald)


Kiebitze, Singschwäne und Fischadler


 Im Güstrower Deichgebiet beobachten wir seltene Kiebitze durch das Spektiv, ein besonders starkes Fernrohr auf einem Stativ. Singschwäne, Fischadler, Flussseeschwalben, Silberreiher, Haubentaucher und lautstarke Wasserfrösche gehören zu den vielen Spreewäldern, denen wir heute begegnen. Nur die Rotbauchunken, die mir die Ranger auch noch zeigen wollten, haben heute frei. „In der Natur gibt es eben keine Garantie, ein bestimmtes Tier zu sehen“, sagt Gabriele Matschke.  

Aber schöne Pflanzen. Vor einem blühendem Baldrian kniet die 53-Jährige nieder, um ein Foto für die Datenbank zu machen. Mit ihren sieben Ranger-Kollegen arbeitet sie an der Erfassung der Tier- und Pflanzenarten im Spreewald, pflegt und schützt das Gebiet und geht mit Natur-Touristen auf Erlebnistouren – mit dem Boot, zu Fuß oder per Rad. 

Autos haben im Spreewald kaum eine Chance  (Foto: © Hotel zur Bleiche)

Zahme Nutria und Waschbären im "Biberhof"


Garantiert aus nächster Nähe beobachten lassen sich die Tiere im „Biberhof“ in Burg, einem beliebten Ausflugsziel für die ganze Familie. Kinder lieben besonders die kleinen Schweinchen und die handzahmen Waschbären, die bald ein neues Gehege bekommen. Und die putzigen Nutria, die Bibern sehr ähnlich sehen – nur, dass ihr Schwanz nicht flach, sondern rund ist. Im dazugehörigen Aquarium können Besucher sämtliche Fische, die im Spreewald heimisch sind, in beschrifteten Bassins genau betrachten. 

Essen mit der Hand: Nutria im "Biberhof" (Foto © Maike Grunwald)


Bei einer Fahrradtour zeigt sich die Landschaft aus einer anderen Perspektive. Der 260 Kilometer lange „Gurkenradweg“ führt durch kleine Felder mit den berühmten Spreewald-Gurken, vorbei an malerischen Höfen und den charakteristischen, spitz aufgetürmten „Heuschobern“. Wir fahren über „Bänke“, so heißen hier die hölzernen Fußgängerbrücken. Und bei einer Rast am Fließ wird mir klar: Ein Wochenende ist viel zu kurz, um den Spreewald auszukosten – aber lang genug, um sich so entspannt zu fühlen wie nach einer Woche Fernurlaub. 

Fühlen sich auch sauwohl: Schweinchen im "Biberhof" (Foto © Maike Grunwald)

Meine Tipps für einen Spreewald-Trip / Infos & Adressen 

 

Unterkunft in Burg

Resort & Spa Zur Bleiche: Unprätenziöser, gemütlicher Luxus direkt am Fließ mitten im Spreewald. "Der Hammer!" urteilt ein Gast aus Hamburg. Eigene Kahn-Anlegestelle, Top-Leihräder, neun unterschiedlich eingerichtete Restaurant-Räume, Spitzenküche, Frühstücksterrasse, Kräutergarten, Innenpool mit Kamin, Außenpool mit großer Wiese und Draußenbetten, seperater Familienpool mit sanfter Kindersauna, für die Erwachsenen ein gigantischer Wellness-Bereich, den man gar nicht mehr verlassen will (mit Damen-Spa). www.hotel-zur-bleiche.de


Natur erleben

Naturwacht Brandenburg: Haus der Biosphäre mit Natur-Erlebnisuhr in Burg, Ausstellungen und Attraktionen in Lübbenau und Raddusch, Erlebnistouren wie geführte Wanderungen, Rad- und Kanutouren mit Rangern, Vogelstimmen- und Froschkonzert-Führungen u.v.m.: www.naturwacht.de

Die Kräutermanufaktur in Burg: www.spreewald-kraeutermanufaktur.de

Der Kräutergarten in Burg: www.spreewaldkraeuter.de

Zahme Tiere & Spreewald-Fische: www.biberhof-spreewald.de


Wendische Bräuche erleben

Heimat- und Trachtenfest in Burg

Volks- und Trachtenfest in Lübbenau 

Lehde-Fest  in Lehde

Slawenburg in Raddusch: www.slawenburg-raddusch.de

Trachtenstickerei Dziumbla in Burg: www.trachtenstickerei.de


Kahnfahrten und Bootsverleihe 

www.bootshaus-conrad.de (Burg, gute Ausgangsbasis zum Selbstpaddeln)

www.hagens-insel.de (Burg, u.a. mit Wellness- und Natur-Kahnfahrten)

www.kahnfahrtenimspreewald.de (Schlepzig, u.a. mit Biber-Fahrten)


Mehr Infos zum Urlaub im Spreewald

Offizielle Seiten der Tourismusverbände: Gute Beschreibungen von Fahrradtouren und Wanderungen (z.B. "Gurkenradweg"), Anbieter von Kahnfahrten, Tipps und Adressen zu Museen, weiteren Attraktionen, Restaurants und Unterkünften u.v.m.

www.reiseland-brandenburg.de
www.spreewald.de
www.burgimspreewald.de

Online-Magazin mit Infos & Touren: www.spreewald-info.de

Die Reise wurde unterstützt von: Hotel zur Bleiche und Reiseland Brandenburg

Der Artikel erschien in ähnlicher Form im Onlinemagazin "Berliner Akzente"