Donnerstag, 30. Januar 2020

Wintermärchen Spreewald

Wintermärchen bei Lübbenau (Foto: © Maike Grunwald)
(Reise, Brandenburg, Maike Grunwald): Ob wir diesen Winter noch so richtig  Schnee bekommen? Hoffentlich! Dann würde ich schnell in den nahen Spreewald fahren - wie märchenhaft er im weißen Kleid aussieht, könnt Ihr hier sehen. Die Fotos entstanden vor einigen Jahren bei einem Spaziergang,  zum #throwbackthursday präsentiere ich Euch den Artikel von damals jetzt noch einmal zum Schnee-Schwelgen - viel Spaß dabei!


Hochstand am Wotschofskaweg (Foto: © Maike Grunwald)

So schön, diese Stille an diesem knackig kaltem Wintertag im Spreewald bei Berlin. Der Schnee karfunkelt in der Sonne. Zugefroreren sind die Fließe und Kanäle zwischen den laublosen Bäumen. Auf ihnen glitzert wie weißer Kandiszucker der Reif. Die Schatten schwarzweißer Birkenstämme bemalen sie mit dunklen Streifen. Über uns strahlt blau der Himmel.

Das Wintermärchen liegt nur eine Stunde von Berlin entfernt. So lange dauert die Fahrt im Regionalzug vom Alexanderplatz nach Lübbenau, genannt "Das Tor zum Spreewald", in der Lausitz in Brandenburg. Am Rande der malerischen Alstadt ruht das historische Schloss Lübbenau inmitten seiner schneebedeckten Parkanlagen. 

Vorm Schloss Lübbenau wacht ein Ahne der Grafenfamilie (Foto: © Maike Grunwald)

Der klassizistische Bau ist seit 1621 Sitz der Grafen zu Lynar. Nachdem es 1944 nach dem gescheiterten Hitler-Attentat von den Nazis enteignet worden war, ist es heute wieder in Familienbesitz: Ein edles Schlosshotel mit Wellnessangebot und Restaurant, ganzjährig geöffnet und ein beliebter Ort für Hochzeitsfeiern. Wir widerstehen der Versuchung, im warmen Kaminzimmer bei Kaffee und Kuchen in den Sesseln zu versinken und treten wieder in den klaren Wintertag hinaus.

Schwarz- weißer Birkenzauber im UNESCO Biosphärenreservat (Foto: © Maike Grunwald)

Es sind minus zehn Grad. Nachts waren es minus zwanzig. 

Zugefrorenes Wehr (Foto: © Maike Grunwald)
 
Wir tauchen ein in die Einsamkeit des Wintermärchenwaldes. Im Sommer sind die Kanäle und Fließe belebt mit Spreewaldkähnen voller fröhlich lärmender Touristen, die sich von Männern in sorbischer Tracht herumstaken lassen und dabei Spreewaldgurken, Quark mit Kartoffeln und Leinöl sowie fässerweise Bier konsumieren. Jetzt sind nur die Spuren schnürender Füchse auf dem zugefrorenen Fließ zu sehen. Wir haben den Wald für uns allein. 

Fuchsspuren auf dem Fließ (Foto: © Maike Grunwald)
Der Schnee knirscht unter meinen Füßen, sonst ist es still. Wenn ich stehen bleibe, höre ich meinen eigenen Herzschlag, so vollkommen ist die Ruhe. Ich denke an meine erste Nacht in der Wüste, als ich das Blut in meinen Ohren rauschen hörte. 

Ene von 14 Holzbrücken auf dem Wotschofskaweg (Foto: © Maike Grunwald)

Nach etwa vier Kilometern stehen wir auf der Insel Wotschofska mitten im Spreewald. Der Name stammt von "wótšow", dem sorbischen Wort für "Insel" (oder "Kaupe", wie man hier sagt, abgeleitet von einem anderen sorbischen Wort für "Insel"). Einst war sie schwer zugänglich und nur auf dem Wasserweg erreichbar - ein sicherer Zufluchtsort, der in Kriegszeiten nie von feindlichen Truppen gefunden wurde. Mit dem Bau eines gleichnamigen Gasthauses anno 1884 entwickelte sich die Wotschofska zu einem beliebten Ausflugsziel. 1911 wurde der Wanderweg von Lübbenau angelegt, den wir heute entlang gegangen sind. Seitdem ist die "Erleninsel" auch ohne Kahn erreichbar.

Gaststätte im Blockhausstil, erbaut 1896, heute ein Baudenkmal (Foto: © Maike Grunwald)
Auf dem Rückweg - der Wotschofskaweg ist kein Rundweg - klettern wir über eine Schleuse, begegnen zwei anderen Menschen und hören erstmals Lebenszeichen der Tierwelt, die das Naturschutzgebiet zwar artenreich bevölkert, sich aber bisher mucksmäuschenstill verhalten hat. In einem Busch vor einem der vielen hölzernen Übergänge über die Kanäle quatscht eine Versammlung schwatzhafter Spatzen. Aber kaum hören Sie unsere Schritte im Schnee, halten sie alle plötzlich alle den Schnabel. 

Erlen, Birken, Schnee und Wasser: Die vernetzten Flüsse im Spreewald sind zusammen mehr als 1.500 km lang (Foto: © Maike Grunwald)
Später - wir sind schon fast wieder in Lübbenau - zerhämmert ein lautes Klopfen die Stille. Es ist ein seltener Schwarzspecht, schön deutlich zu sehen im laublosen Wald. Wir beobachten ihn eine Weile, wie er mit Karacho den Baumstamm bearbeitet.

Baumgeist am Sagenbrunnen neben der Kirche (Foto: © Maike Grunwald)

Zurück in Lübbenau wärmen wir uns bei Glühwein und Spreewälder Kartoffelsuppe auf. Am Sagenbrunnen in der Stadt lasse ich mir Geschichten aus dem reichen Sagenschatz der Region erzählen: Wie der Spreewald aus Versehen vom Teufel erschaffen wurde, warum der Schlangenkönig Reichtum bringt, wie sich die "Luttki" verhalten, eine Art komplexer Heinzelmännchen, und womit man Irrlichter bestechen kann, damit sie einen sicher nach Hause bringen: mit einer Stulle.

Die Fotos entstanden an einem eisigen Februartag mit meinem damals schon museumstauglichen, uralten Smartphone "Samsung Wave S8500".

Hier gibt's süße Bilder von wilden Tieren mitten in Berlin, der europäischen Wildtier-Hauptstadt.